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dersächsische Wirtschaft des 18. Jahrhunderts durch Bereitstellung von Waren und
Geld eine wichtige Funktion wahrgenommen.
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In der Zeit von etwa 1680 bis zur Ein-
verleibung des Herzogtums Braunschweig
in das Königreich Westphalen (1807) sind unter
den in Wolfenbüttel ansässig gewesenen Schutz- bzw. tolerierten Juden 11 Familien gewesen.
Später kamen noch 8 Familien dazu, darunter Simon Wolf Oppenheim, der den Schutzbrief
als Rabbiner erhielt. (…) 1831 hatte Wolfenbüttel 12 jüdische Familien bzw. 62 Seelen. 1835
nennt das Wolfenbütteler Adressbuch 88 jüdische Einwohner.
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Im Verhältnis zu Hannover, so ist bei Marx nachzulesen, sei von der Braunschwei-
ger Regierung im späten 18. Jahrhundert eher und wirkungsvoller über eine Verbesse-
rung der Rechtsstellung der Juden nachgedacht worden. Das Verbot des Immobilien-
erwerbs wurde gelockert und bekannte Diskriminierungen entfielen weitgehend. 1788
konnte nach Protesten des Hoffaktors Herz Samson der Judeneid reformiert werden.
1803 fiel der Leibzoll, den
Juden bei Betreten oder Verlassen des Landes entrichten mußten
und der sie, wie im Mittelalter üblich, auf dieselbe Stufe stellte wie eine zu verzollende Ware
13
.
Die Verbesserungen erfuhren allerdings meistens nur die
privilegierten Schutzjuden
. Das
strenge Edikt gegen die
Betteljuden
aus dem Jahr 1712 und Folgeerlasse relativierten die
erwähnten Fortschritte weitgehend.
Betteljuden
besaßen weder Schutzbrief noch einen
Pass. Sie hatten keinen festen Wohnsitz, und ihre Erwerbsform war nicht legal. Sie leb-
ten am Rande der Gesellschaft.
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Der Historiker Isaak Markus Jost beschrieb (nach 1790), wie er als Schüler der Sam-
sonschule Betteljuden begegnet war:
Vom Gotteslager, einem kleinen Weiler etwa zehn
Minuten vor der Stadt bis an das Kayser-Thor, lagen zwanzig arme jüdische Familien, zigeu-
nerartig wandernd, mit schmutzigen Betten, alten Kleidern, Kisten und Kasten, sie selbst in
zerrissenen Gewändern, Männer, Frauen und Kinder, zum Theil krank und abgezehrt im
Freien, wartend auf den Glockenschlag Neun, bei welchem der Vorsänger ankommen sollte,
um ihnen im Namen des einzigen reichen Mannes, der in Wolfenbüttel wohnte, Almosen zu
verabreichen, damit sie vor Eintritt des Sabbath noch einen Ruhepunkt erreichen könnten.
Keiner dieser Unglücklichen durfte die Stadt betreten.
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Die liberalen Geisteshaltungen des 19. Jahrhunderts förderten die auch durch die fran-
zösische Revolution beeinf lusste Emanzipation der Juden. Nach und nach fielen rechtli-
che Diskriminierungen.
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Die
grundlegenden Änderungen in der Judengesetzgebung wurden
in Deutschland unter dem Einfluß Napoleons bewirkt. Im Königreich Westphalen, dem auch
Braunschweig angehörte, entwickelte sich wie in anderen von Frankreich unmittelbar oder mit-
telbar beherrschten Gebieten die uneingeschränkte Gleichberechtigung der Juden.
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Artikel 1
des Königlich-Westphälischen Dekrets vom 27. Januar 1808 bestimmte:
Unsere Untertha-
nen, welche der Mosaischen Religion zugethan sind, sollen in Unseren Staaten dieselben Rechte
11
Vgl. Marx, Albert, Geschichte der Juden in Niedersachsen, Hannover 1995, S. 92.
12
Asaria, Zvi, Die Juden in Niedersachsen, Leer 1979, S. 438.
13
Marx, Geschichte der Juden, S. 67.
14
Zitiert nach ebd., S. 93.
15
Ebeling, Hans-Heinrich, Die Juden in Braunschweig, Braunschweig 1987, S. 151 f.
16
Emanzipationsdekret vom 27. Januar 1808 im Königreich Westphalen, in das auch das Herzogtum
Braunschweig aufgegangen war.
17
Ritterhoff, Claus, Die rechtliche Gleichstellung der Juden im Herzogtum Braunschweig, in: Lessings
„Nathan” und die jüdische Emanzipation im Lande Braunschweig, Lessing-Akademie Wolfenbüttel 1990,
S. 64.