20
1803 bis 1809.
30
Später gehörte er vier Jahre lang dem Lehrerkollegium an. Sein Mitschü-
ler Isaac Marcus Jost (1793-1860) gilt als der erste bedeutende Historiograph der Neuzeit.
Emil Berliner (1851 – 1929), der Erfinder der Schallplatte, des Mikrofons und des akus
tischen Schalldämpfers, besuchte die Schule von 1861 bis 1865. Seit
1884, lehrte an der
Schule Samuel Spier, einer der Mitbegründer der „Social-Demokratischen Arbeiterpartei
Deutschlands“.
31
Eng verknüpft mit der Einrichtung jüdischer Bildungs- und Kulturstät-
ten war der von der Familie Samson gegründete und nach ihr benannte
Legatenfond
, eine
Stiftung zur gemeinsamen Verwaltung des Familienbesitzes. In den Statuten sind die Zwe-
cke der Stiftung aufgeführt: Unterhaltung der Freischule in Wolfenbüttel, Unterstützung
bedürftiger Familienangehöriger und Ausstattung armer, zur Samsonschen Familie gehö-
render Bräute.
32
Schüler der Samsonschule war auch der 1895 geborene Werner Scholem,
Bruder des israelischen, aus Berlin stammenden, Religionshistorikers Gershom Scho-
lem
33
. In seinen Jugenderinnerungen berichtet Gershom Scholem über seinen Bruder:
Ein
engeres Verhältnis gewann ich hingegen zu meinem Bruder Werner, der zwei Jahre älter war
und ein sehr bewegliches Naturell hatte, das schon früh in Opposition gegen das Elternhaus
umschlug. Das veranlaßte meine Eltern, ihn etwa 1908 für zwei oder drei Jahre in die Samson-
schule nach Wolfenbüttel zu schicken, ein jüdisches Internat mit einer Realschule verbunden,
eine schon hundert Jahre alte Gründung aus der Zeit des Königreichs Westfalen. Viele westdeut-
sche jüdische Kaufleute, Viehhändler und Metzgermeister schickten ihre Kinder dorthin, und
mein Bruder wurde hier mit einem nicht geringen Ausmaß von religiöser Heuchelei und fal-
schem Patriotismus bekannt, das ihn heftig abstieß. Die Schule wurde streng deutsch-national,
aber unter Beibehaltung einiger Hauptstücke des jüdischen Rituals, des (verkürzten) täglichen
Gebets und der koscheren Küche geführt. In den Ferien bekam ich darüber von meinem Bruder,
der sich schon damals an mir rhetorisch zu versuchen begann, einige zynische Vorträge und
Herzenergießungen zu hören. Er setzte schließlich durch, nach Berlin zurückgeholt zu werden
und kam auf eine andere Schule.
34
Werner Scholem war Kommunist, Reichstagsabgeordne-
ter und Redakteur der „Roten Fahne“.
35
Aus dem KZ Dachau wurde Scholem ins KZ
Buchenwald gebracht und dort am 17. Juli 1940 ermordet.
36
Zwischen den Wolfenbütteler Bürgerinnen und Bürgern christlichen und jüdischen
Glaubens herrschte um 1900, trotz gelegentlicher amtlicher Diskriminierungen gegen-
über Juden, ein Klima der Toleranz. Die jüdische Gemeinde, die sich seit 1781 in der
Synagoge im Hinterhaus Harzstraße 12 zu ihren Gottesdiensten und Festen traf, konnte
30
Vgl. Elon, Amos, The pity of it all. A History of Jews in Germany 1743–1933, New York 2002, S. 110 f.
Deutsche Ausgabe: Zu einer anderen Zeit, Porträt der jüdisch-deutschen Epochen (1743–1933), Mün-
chen/ Wien 2003, S. 115 f.
31
Vgl. Hensel, Hans Michael, Einer der ersten Demokraten des Reichs war Lehrer in Wolfenbüttel, in: Vor
Ort, Nr. 7, 1995. (Hensel kritisiert, dass Wolfenbüttel diesen bedeutsamen Demokraten bisher nicht, z. B.
durch die Benennung einer Straße, geehrt hat.) Vgl. Fricke, Rudolf G.A., Die Arbeiterbewegung in unse-
rem Land. Geschichte der Sozialdemokratie in Wolfenbüttel und Braunschweig von den Anfängen bis
1870/71 mit einem Ausblick in die Neuzeit, Cremlingen 1989, S. 54 ff.
32
Vgl
.
Busch, Ralf, Samsonschule Wolfenbüttel, Braunschweig 1986, S. 14.
33
Vgl. Jünger, Ernst, Gershom Scholem. Briefwechsel 1975-1981, in: Sinn und Form, Beiträge zur Literatur,
Heft 3, 2009, S. 293 ff.
34
Scholem, Gershom, Von Berlin nach Jerusalem, Frankfurt 1994, S. 12.
35
Vgl.
Busch, Samsonschule, S. 34, 35, 39, 45.
36
Vgl. Lübbe/Schumacher, Martin (Hg.), Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit
des Nationalsozialismus, Düsseldorf 1992, S. 1220 ff.