Seite 33 - Juedische_Familien

Basic HTML-Version

89
ben, wie Schaufenster von Warenhäusern massenweise zertrümmert worden waren:
Unter
wildem Hallo wurden zunächst bei Frank die großen Spiegelscheiben mit mitgebrachten Steinen,
vielfach in Papier gewickelten Ziegelsteinen, eingeschlagen. Von den 22 Schaufensterscheiben bei
Frank sind 21 zertrümmert und auch die Scheiben und Türen, die vom Innenraum her die Schau-
fenster abschließen, sind ausnahmslos zertrümmert. Auch die an den Wänden angebrachten
Schaukästen sind sämtlich zerschlagen. Es wurden übrigens nicht nur Steine geschleudert – es
wurde auch geschossen
.
290
Die Braunschweiger Tageszeitung veröffentlichte regelmäßig
Anzeigen mit Boykottforderungen:
Meidet die jüdischen Warenhäuser! 
291
Die NSDAP ver-
teilte ein Flugblatt mit den hervorgehobenen Schlagzeilen:
Juden-Boykott
und
Deutschland
dem Deutschen
.
Die Zinsknechtschaft und die Frondienste,
pöbelten die Nationalsozialisten
,
können nur durch schärfste Boykottierung aller jüdischen Geschäfte und Banken gebrochen wer-
den
. Der
internationale Jude
habe eine
Greuelhetze gegen uns losgelassen
, der nur auf eine
Weise begegnet werden könne:
…dass ihr ihm nichts mehr abkauft und nur noch deutsche
Geschäfte berücksichtigt.
Unter dem Text hatten die Flugblattschreiber eine unvollständige
Liste
Jüdischer Unternehmer
zusammengestellt,
die hier die Gegend verseuchen
. Darin aufge-
nommen waren die
Pferde- und Viehjuden
Esberg und Pohly aus Wolfenbüttel und wahllos
herausgegriffene Geschäftsleute aus der Region Braunschweig.
Angesichts der zugespitzten Lage glaubte der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten,
durch Verniedlichung Schlimmes zu verhüten und schrieb der Botschaft der USA einen
Brief, den die Lokalzeitung veröffentlichte:
Wir erhielten Kenntnis von der Propaganda, die
in Ihrem Lande über die angeblichen Greueltaten gegen die Juden in Deutschland gemacht
wird. Wir halten es für unsere Pf licht, nicht nur im vaterländischen Interesse, sondern auch
im Interesse der Wahrheit zu diesen Vorgängen Stellung zu nehmen. Es sind Mißhandlungen
und Ausschreitungen vorgekommen, die zu beschönigen uns bestimmt fernliegt. Aber der-
artige Exzesse sind bei keiner Umwälzung vermeidbar. Wir legen Wert auf die Feststellung,
daß die Behörden in allen uns bekannt gewordenen Fällen energisch gegen Ausschreitungen
vorgegangen sind. Die Ausschreitungen wurden in allen Fällen von unverantwortlichen Men-
schen unternommen. Es ist aber auch unseres Ermessens an der Zeit, von der unverantwort­
lichen Hetze abzurücken, die von sogen. jüdischen Intellektuellen im Auslande gegen Deutsch-
land unternommen wird. Diese Männer, die sich zum überwiegenden Teil nie als Deutsche
bekannten, ihre Glaubensgenossen im eigenen Lande, für die sie Vorkämpfer zu sein vorga-
ben, im kritischen Augenblick im Stiche ließen und ins Ausland f lüchteten, haben das Recht
verwirkt, in deutsch-jüdischen Angelegenheiten mitzureden
.
292
Am Mittwoch, dem 29. März 1933, erhielt die Wolfenbütteler Einwohnerschaft kon-
krete Informationen zum Boykott. Auf der Titelseite der Wolfenbütteler Zeitung fanden
die Leser ein Foto über antideutsche Proteste in London: Auf einem von Passanten
umringten PKW war ein Schild befestigt, das die Aufschrift trug:
JUDEA DECLARES
WAR ON GERMANY. BOYCOTT ALL GERMAN GOODS
(Judäa erklärt Deutschland
den Krieg. Boykottiert alle deutschen Waren. J.K.). Der Fototext lautet:
Die Reichsregie-
rung hat schärfste Maßnahmen angeordnet
. Der Artikel zum Foto enthält die entschei-
dende Titelzeile:
Abwehr-Boykott soll am 1. April, 10 Uhr einsetzen.
Darin die Mitteilung,
die NDSAP-Reichsleitung habe sich entschlossen, den Abwehrkampf gegen die Angriffe
290
Ebd.,13.3.1933.
291
Braunschweiger Tageszeitung, 21.3.1933.
292
Wolfenbütteler Zeitung, 27.11.1933.