91
zum Kampfe um die Wahrheit), das bereits seit 1927 auf jeder Titelseite das Treitschke-
Zitat
Die Juden sind unser Unglück
trug. Seit 1933 überschwemmte der Günstling Hitlers
das ganze Land mit den berüchtigten Stürmer-Kästen, in denen die Zeitung aushing und
die ebenfalls das obige Zitat trugen. Auch in Wolfenbüttel stand solch ein Kasten.
Zur gleichen Zeit arbeitete der Wolfenbütteler Schriftsteller und pensionierte Jurist
Rudolf Huch (1862-1943) in Bad Harzburg an seiner antisemitischen Schrift „Israel und
Wir”, die 1934 erschien. Doch das nationale Gejubele mit den völkischen Zielen muss den
71 Jahre alten Mann so gerührt haben, dass er seine Feder zum Mitmachen ergriff.
297
297
Als seine Schwester Ricarda 1933 aus der inzwischen nationalsozialistisch gewordenen Preußischen Aka-
demie der Künste austrat, ließ sich Rudolf Huch in diese Institution berufen. Als der erste große Schlag
gegen die Juden am 1. April 1933 vorbereitet und ausgeführt wurde, arbeitete er an der „Volksaufklä-
rungsschrift” „Israel und Wir“. Er bekämpfte
die weiter fortschreitende Durchsetzung des deutschen Geistes-
lebens mit jüdischem Denken und Fühlen
. (Roth, Hans, Das Werk Rudolf Huchs, Dissertation, Jena 1966,
S. 240.) Huch war es nie gelungen, mit seiner Schriftstellerei und Juristerei auf einen grünen Zweig zu
kommen. Zu seinem 80. Geburtstag im Januar 1942 nahm er von Joseph Goebbels eine Ehrengabe in
Höhe von 10.000 Reichsmark an und erhielt von der Stadt Braunschweig einen monatlichen Ehrensold
von 100 Reichsmark. Erst mit diesem Geld konnte er sein bürgerliches Leben bis zum Tode finanzieren.
Dieser Mann maßte sich an, seine f leißigen jüdischen Mitbürger mit dem Hauch des Unredlichen zu
überziehen:
Die sogenannten Verbrecherkönige in Chicago scheinen doch meist Juden zu sein
. Die Stadt Wol-
fenbüttel ehrte Huch fast 20 Jahre lang bis 1994 mit einer Erinnerungstafel im Haupteingang des Rathau-
ses. Braunschweig ehrte ihn mit einem Ehrengrab auf dem Hauptfriedhof. In Bad Harzburg trug bis zur
Schließung 1984 eine Schule seinen Namen, und noch heute enthält der Stadtplan die Rudolf-Huch-
Straße.
Beispiel eines „Stürmerkastens“.