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men und Organisationen, die an die
Adresse des Ausland
s gerichtet waren: Der Kolonial-
held, General von Lettow-Vorbeck, sandte der englischen Presse ein Telegramm und
glaubte,
das englische Volk
sei sich zu schade,
sich dadurch lächerlich zu machen, daß es
das Opfer eines plumpen Tricks wird
. Der Präsident des Automobilklubs von Deutschland
richtete einen Appell an die ausländischen Automobilisten
: Die Greuelnachrichten sind
Lügen
. Die Hamburger Agentur der Weltreise Union, Thomas Cook und Sohn Ltd.,
teilte mit, dass die Londoner Zentrale alle ihre über die Welt verstreuten 350 Agenturen
über die tatsächliche Lage im Reich informiert habe und warb für Reisen nach Deutsch-
land:
Das Reisen in und nach Deutschland klappe ohne jegliche Behinderung.
Der Präsident
des deutschen Städtetages, Dr. Muhlert, nahm in einem Schreiben an den Vorsitzenden
des Gesamtverbandes der amerikanischen Städte gegen die
Greuelpropaganda
mit gro-
ßer Entschiedenheit Stellung. Ein Margarinekonzern teilte seinen Geschäftspartnern auf
dem Kontinent und in Übersee mit, die
Greuelnachrichten
sind nichts anderes als
verlo-
gene Tendenzmeldungen schlimmster Sorte
. Ähnlich äußerten sich die „Deutsche Buchge-
meinschaft“ und die „Bausparkasse Gemeinschaft der Freunde Ludwigsburg“, die
„Interessengemeinschaft Berliner Privatbanken“, die „Rudolf-Karstadt”-AG, ja sogar die
mexikanische Handelskammer in Frankfurt protestierte. Der Deutsche Fußball-Bund
und die Leichtathletik-Sportbehörde versicherten ihren ausländischen Sportskamera-
den, dass die Meldungen über Deutschland
keinen Glauben verdienen
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.
Reichspräsident Hindenburg rief Hitler und von Papen zu sich, um mit ihnen über
an ihn gerichtete Gegenproteste zu sprechen. Der Vorstand der Berliner jüdischen
Gemeinden telegrafierte an Gemeinden und jüdische Organisationen in Amerika, so
auch an den Chief Rabbi Dr. Hertz in London, und bat darum, jegliche
Greuel- und Boy-
kottpropaganda
zu unterlassen. Die jüdischen Gemeinden in Hamburg unterrichteten
ihre Glaubengenossen in Lateinamerika, dass in der Stadt an der Elbe
Ruhe und Ord-
nung ungestört sind
. Der Verein der Getreidehändler an der Hamburger Börse und der
Verband des deutschen Tiefbaugewerbes in Deutschland beobachteten einen
geordneten
Rechtszustand
. Aus New York telegrafierte der Präsident der amerikanischen
Jüdischen
Agentur
, dass keine verantwortlichen Körperschaften Amerikas einen Boykott angeregt
haben und dass sein Verband auch weiter alles tun werde, der Agitation entgegenzutre-
ten. Der Deutsche Offizier-Bund schickte Hitler ein Protesttelegramm und dankte ihm
für die
beabsichtigten energischen Abwehrmaßnahmen gegen die haßerfüllte alljüdische
Weltpropaganda, welche das leuchtende Bild unserer nationalen Erhebung zu bef lecken ver-
sucht
. Die Offiziere versicherten, sie würden alle Maßnahmen unterstützen,
welche die
Regierung zur Bekämpfung der verabscheuungswürdigen Greuelpropaganda für notwendig
erachtet
. Der Edeka-Verband sandte an den Präsidenten der „Internationalen Vereini-
gung des Lebensmittel-Einzelhandels“ eine Erklärung mit der Bitte, sie an die 26 ange-
schlossenen Organisationen telegraphisch weiterzusenden:
Edekaverband Berlin bittet in
Presse und Kollegenkreisen bekanntzugeben, daß alle Nachrichten über Gewalttaten, insbe-
sondere gegen jüdische Mitbürger, falsch sind. (…) Sämtliche Einzelhandelsverbände mit
allen Einzelmitgliedern, auch der jüdischen, stehen geschlossen hinter der Reichsregierung im
unbedingten Vertrauen, daß sie das Wohl des deutschen Volkes und seiner Bürger aller Kon-
fessionen, insbesondere auch des kaufmännischen Mittelstandes, sicherzustellen bemüht ist.
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Wolfenbütteler Zeitung, 31.3.1933.
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Ebd.