164
            
            
              
                euch schnappen, dann kommt
              
            
            
              
                ihr auf dem letzten Transport
              
            
            
              
                hinterher. Aber sie haben es
              
            
            
              
                nicht gelassen, denn sie kann-
              
            
            
              
                ten die Leute ja von klein auf.
              
            
            
              
                Meinen Eltern war klar, dass
              
            
            
              
                man sie entweder umbringen
              
            
            
              
                oder so sehr bedrängen würde,
              
            
            
              
                dass sie Schaden nehmen wer-
              
            
            
              
                den. In welcher Weise, das
              
            
            
              
                konnten sie sich nicht vorstel-
              
            
            
              
                len 
              
            
            
              585
            
            
              
                .
              
            
            
              Die Wolfenbüttelerin
            
            
              Elli Steinmann erinnerte sich
            
            
              an den Abtransport von
            
            
              Juden:
            
            
              
                Jedenfalls wurden die
              
            
            
              
                Juden eines Tages auf dem
              
            
            
              
                Stadtmarkt zusammengetrie-
              
            
            
              
                ben und mit gehaltenen Stri-
              
            
            
              
                cken umzäunt. Danach sind
              
            
            
              
                sie weggekommen. Uns hat
              
            
            
              
                man gesagt, sie kommen nach
              
            
            
              
                Lodz, nach Litzmannstadt. Da
              
            
            
              
                haben sie eine ganze Stadt für
              
            
            
              
                sich, denen passiert überhaupt
              
            
            
              
                nicht. 
              
            
            
              586
            
            
              Deportation und Beraubung
            
            
              Nicht nur SA, SS, Gestapo 
            
            
              587
            
            
              oder das Rassenpolitische Amt, nein, viele Institutionen
            
            
              und Personen auf Reichs-, regionaler und kommunaler Ebene waren daran beteiligt,
            
            
              den jüdischen Wolfenbüttelern nicht nur ihre Menschenwürde, sondern auch ihre Ver-
            
            
              mögen und ihre Lebensgrundlagen zu nehmen: Juristen, Bankangestellte, Stadtange-
            
            
              stellte, Finanzbeamte, Polizeibeamte, Gefängnisbeamte, Auktionatoren, Sachverstän-
            
            
              dige, Fuhrunternehmer, Wolfenbütteler Bürger als Ersteigerer von „jüdischen“
            
            
              Sachwerten
            
            
              588
            
            
              , Beamte des Grundbuchamtes, Handwerker, Kauf leute und auch die
            
            
              585
            
            
               Gespräch mit Gerhard Bosse und Ernst Kunkel, 28.3.1995.
            
            
              586
            
            
               Gespräch mit Elli Steinmann am 8.3.1992. Dieses Erlebnis ist von anderen Zeitzeugen nicht berichtet worden.
            
            
              587
            
            
               Die Rolle der Braunschweiger Gestapo bei der Verfolgung der Juden ist noch nicht erforscht. Das zustän-
            
            
              dige Referat IIB unter der Leitung von Karl Macke befand sich seit April 1938 in der Leopoldstraße 24/25.
            
            
              (vgl.: Wysocki, Gerhard, Die Geheime Staatspolizei im Land Braunschweig, Polizeirecht und Polizeipra-
            
            
              xis im Nationalsozialismus, Frankfurt 1997, S. 89 f, S. 205).
            
            
              588
            
            
              
                Eine sichtbare Verhaltensvielfalt offenbarte sich selbst bei einem Vorgang, der bislang – und zu Recht – als Verstric-
              
            
            
              
                kung der Bevölkerung in die Vernichtungspolitik und Komplizenschaft mit dem Regime interpretiert wurde, nämlich
              
            
            
              
                der öffentlichen Versteigerung des Besitzes deportierter Juden.
              
            
            
              (Vgl. Kuller, Christiane, Erster Grundsatz: Horten
            
            
              für die Reichsfinanzverwaltung, in: Die Deportation der Juden aus Deutschland, Pläne – Praxis – Reaktionen,
            
            
              1938 – 1945, hg. v. Universität Konstanz, Göttingen 2004, S. 162.
            
            
              
                Das Haus des Kaufmanns Hugo Groitzsch, umgewandelt in
              
            
            
              
                eine Wohnstätte für zu deportierende Einwohner.