Seite 38 - Luftfahrtgeschichte

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PETER KORRELL
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Die Stadtverwaltung von Braunschweig unter Leitung des Oberbürger-
meisters Dr. Paul Trautmann (1881 – 1929) hatte sich mit Hilfe des Braun-
schweigischen Ministerpräsidenten und Finanzministers Dr. Heinrich Jasper
(1875 – 1945) sehr für die Verlegung der Verkehrsfliegerschule von Berlin-
Staaken nach Braunschweig eingesetzt. Mit dem Vertrag vom 23. März 1928
wurde die Umsiedlung für Anfang 1929 beschlossen. Für die neue Aufgabe
sind in Braunschweig-Broitzem umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt
worden. Das Flugfeld wurde erweitert, diverse Gebäude neu errichtet.
Ab Oktober 1929 erhielten fast sämtliche zivilen deutschen Flugzeugfüh-
rer und ein großer Teil der Bordfunker und des sonstigen Personals ihre Aus-
und Fortbildung überwiegend in Braunschweig. Die militärische Beobach-
terausbildung fand in den Jahren 1929 und 1930 wieder in Lipezk und zwar
auf einem gesonderten Teil des dortigen Flugfeldes statt. 1931 wurde sie nach
Deutschland in die Verkehrsfliegerschule Braunschweig verlegt.
Der Aufbau der Deutschen Verkehrsfliegerschule in Braunschweig
Der am 11. Juli 1925 mit der Landung einer Fokker-Grulich F III (D-503)
des Deutschen Aero Lloyd eröffnete Braunschweiger Flughafen lag im Wes-
ten der Stadt, nur 3 km vom Stadtinnern entfernt und war durch Straßen-
bahn und Kraftwagen leicht zu erreichen. Das Rollfeld hatte eine Größe von
91 ha und war frei von Anflughindernissen. Die Verwaltung lag ab 1926 in
den Händen der Flughafengesellschaft Braunschweig mbH., an der das Deut-
sche Reich und die Stadt Braunschweig zu etwa gleichen Teilen finanziell be-
teiligt waren. Geringere Beteiligungen gehörten den anliegenden Landkrei-
sen.
Als neuen Standort der DVS hatte man Braunschweig gewählt nicht nur
wegen seines bereits weitgehend ausgebauten Flughafens, sondern auch wegen
seiner zentralen geographischen Lage, der guten meteorologischen Verhält-
nisse und wegen der im Aufblühen begriffenen Technischen Hochschule. Da-
rüber hinaus spielte sicher auch die Entfernung von Berlin mit seiner Konzen-
tration an Presse und ausländischen Diplomaten – angesichts der bei der DVS
betriebenen Ausbildung für Zwecke der Reichswehr – eine Rolle. Der Artikel
„Windiges aus der deutschen Luftfahrt“ (Die Weltbühne, 1929, Nr. 11 vom
12. März) von Heinz Jäger alias Walter Kreiser brachte der Zeitschrift Welt-
ruhm und ihrem Herausgeber, Carl von Ossietzky (1889 – 1938), sowie dem
Verfasser eine Gefängnisstrafe. Die Enthüllungen über die für die Flugausbil-
dung aufgewendeten Geldmittel hatten sicher zu dem Entschluss beigetragen,
diese Ausbildung möglichst entfernt von Berlin in der „Provinz“ anzusiedeln.
Seitens des Reichsverkehrsministeriums wurde neben anderen Bedingun-
gen in den Verhandlungen mit der Braunschweiger Stadtverwaltung ver-